Mit vier Siegen in sechs Rennen kann man bei Red Bull wohl kaum von einer Krise sprechen. Und doch droht dem Weltmeisterteam der letzten drei Jahre der Abstieg. Auslöser: die Sex-Affäre um Teamchef Christian Horner. Deren erste schwerwiegende Folgeerscheinung traf das Team nicht unvermittelt. Längst war bekannt, dass die Männerfreundschaft zwischen Design-Genie Adrian Newey und dem britischen Machtmenschen Horner zerbrochen war, da zog Newey als erster seine Konsequenzen und kündigte.
Auch wenn sich Horner und Red Bull alle Mühe gaben, den Zusammenhang zwischen dem Machtmissbrauch des Teamchefs gegenüber einer Mitarbeiterin und dem Abgang des Technik-Superhirns zu verwischen, ist die Botschaft bei der Konkurrenz längst angekommen. Und so machen sich allen voran McLaren und Mercedes einen Spaß daraus, verbal mit dem Schlagschrauber durch die Red Bull-Wunde zu wirbeln.
Sowohl McLaren-Geschäftsführer Zak Brown als auch Mercedes-Teamchef Toto Wolff gingen mit der Indiskretion an die Öffentlichkeit, dass Newey nicht der letzte Abgang bleiben könnte. Demnach liegen beiden Teambossen die Bewerbungsschreiben weiterer Red Bull-Mitarbeiter vor. Prominentestes Beispiel: Teammanager Jonathan Wheatley. Der Brite war als möglicher Horner-Nachfolger im Gespräch und sieht unter den aktuellen Rahmenbedingungen für sich offenbar keine Zukunft im Team. Er wird auch bei Audi gehandelt.

Red Bull bekommt auch Lebensläufe

Horner wischt solche Bedenken derweil unwirsch beiseite. Dass sein Team angesichts der internen Querelen auseinanderbrechen könnte, bereitet ihm keine Sorgen. Vielmehr nutzt er die Spitzen seiner Teamchef-Kollegen für einen weiteren verbalen Schlagabtausch. „Ich weiß nicht, woher die Lebensläufe angeblich kommen“, sagt er und beißt zurück: „Aber wir bekommen auch jede Woche Lebensläufe.“
Christian Horner stichelt zurück gegen Wolff und Brown.
Bild: Red Bull Content Pool
Dann wird Horner auch noch persönlich: „Da sind zwei Leute, die viel reden. Ich werde mich nicht auf ein Hin und Her einlassen. Aber ich würde mich mehr auf Totos eigene Probleme konzentrieren.“
Geht es nach dem Briten, bestehen die aktuell nicht nur in mangelnder Performance des Silberpfeils. Auch Mercedes verliert Spitzenpersonal. Unlängst sind Chassis-Ingenieur Loic Serra und Mercedes-Nachwuchschef Jerome d’Ambrosio zu Ferrari abgewandert und damit Lewis Hamilton gefolgt.

Horner: 220 Leute von Mercedes

Für Horner eine gute Gelegenheit, um von seinem eigenen Dilemma abzulenken: „Natürlich wird es immer Bewegungen zwischen den Teams geben“, betont er. „Ich weiß nicht, wie viele Leute wir dieses Jahr von McLaren eingestellt haben oder wie viele Leute VCARB (Racing Bulls; d. Red.) eingestellt hat. Von Mercedes haben wir 220 Leute übernommen, 220 von HPP (Mercedes AMG High Performance Powertrains; d. Red.) zu Red Bull Power Trains. Also wenn wir davon sprechen, Personal zu verlieren, würde ich mir mehr Sorgen über die 220 machen als über vielleicht ein oder zwei Lebensläufe.“
Damit spielt der Red Bull-Teamchef den Ball zwar zurück in Wolffs Feld, wohlwissend dass die größte Herausforderung noch auf den Briten wartet. Denn Wolff arbeitet an einer Verpflichtung von Max Verstappen und Red Bulls Technikchef Pierre Waché, dem ähnliche Qualitäten nachgesagt werden wie Adrian Newey.
Allein: Glück oder Pech für Horner - er steht bei keinem auf dem Wunschzettel.