Die Zukunft fährt elektrisch. Darin sind sich Umweltschützer, Politiker, Autohersteller und wohl auch die Mehrheit der Bevölkerung einig. Die IAA steht ganz im Zeichen dieser Zukunft – so sehr, dass wir die Gegenwart manchmal ausblenden.
Und dann kommen Meldungen wie diese, die uns von Wolke sieben krachend auf den Boden der Tatsachen befördern: Die Zurich-Versicherung bietet mit dem Energieversorger E.on eine Mobilitätsgarantie für Elektroautos an. "Der Rund-um-die-Uhr-Service umfasst den Transport zur nächstgelegenen Ladestation oder eine mobile Aufladung des Fahrzeugs, falls die Akkukapazität unverschuldet nicht bis zum nächsten Ladepunkt reicht", heißt es. Mobilitätsversicherungen kenne ich, die sind für Autos, die eine Panne haben. Haben Elektroautos eine eingebaute Panne? Klingt fast so.

Man muss eine mobile Zukunft, die elektrisch und CO2-neutral sein wird, befürworten! Aber zur Autosuggestion gehört, den Realitäten ins Auge zu sehen:
1. Je nach Nutzung wird uns das E-Auto auf absehbare Zeit nicht die gewohnte Mobilität bieten können, sondern Einschränkungen abverlangen.
2. Viele Modelle sind zunächst eher für Besserverdiener oder Dienstwagennutzer interessant, gern mit Ladestation am Eigenheim.
3. Wegen der geringen Energiemengen an Bord werden wir zu Langsamfahrern – oder riskieren, von der Zurich abtransportiert zu werden. (Hier geht's zum Pro und Kontra E-Auto sowie zum Kostenvergleich E-Auto/Verbrenner!)

480.000 E-Autos, 48 Millionen Verbrenner

Bei den Neuzulassungen boomen Elektroautos, das ist fein. Allerdings: Einem Bestand von rund 480.000 batterieelektrischen Autos stehen mehr als 48 Millionen Verbrenner-Pkw gegenüber. Sie werden noch viele Jahre durch Deutschland fahren und auch den Gebrauchtmarkt dominieren.

Schlechtes Gewissen ist unnötig

Wer also nicht heute oder morgen ein E-Auto bestellt, sollte kein schlechtes Gewissen haben. Mein BMW 3er Touring – ein fünf Jahre junger Euro-6-Diesel, der nur auf dem Papier sauber ist – tankt erst nach 950 Kilometern. Ihn abzuschaffen wäre weder wirtschaftlich noch nachhaltig. Mein Nachbar Lars hat das Dach voller Solarzellen und produziert mehr Strom, als er verbrauchen kann. Damit gratis und ökologisch zu fahren ist Auto-Faszination pur. Ich habe ihm geraten, auf Elektro umzusteigen. Und zwar sofort.