Fragen Sie Nutzer von Amazon Prime, ob sie mit ihrem Abo immer noch zufrieden sind, dann sind die Meinungen recht gespalten. Die Gebühren sind nicht mehr so niedrig wie früher und die Einführung von Werbung in Prime Video hat viele Kunden ziemlich verärgert.
Auch ich denke aktuell öfter über eine Kündigung nach – obwohl ich bereits seit 16 Jahren dabei bin. Wahrscheinlich ist aber gerade dies der Grund für meine Unzufriedenheit: Das Angebot war früher deutlich attraktiver.
Als ich das erste Mal von Amazon Prime hörte, war ich von dem Angebot sofort überzeugt, vor allem aufgrund der kostenlosen Zustellung von Bestellungen. Für 29 Euro pro Jahr bot Amazon schon 2007 kostenlosen und schnelleren Versand – während manch Online-Händler damals noch sechs bis neun Euro dafür verlangte.
Noch besser: Amazon führte immer wieder zusätzliche Dienste ein, etwa den Streaming-Dienst Amazon Video, Kreditkarten, Amazon Music und immer weitere Vorteile.
Allerdings stiegen die Kosten für das Jahresabo schnell auf 49 Euro, 2017 waren es dann bereits 69 Euro und seit 2022 sind es 89 Euro. Das ist schon happig.
Was ist der Gegenwert der kostenlosen Bestellung?
Ein großer Vorteil ist weiterhin die kostenlose Lieferung. Doch was sparen Sie dadurch wirklich?
Die Konkurrenz hat längst auf Amazon reagiert und auch bei einer Bestellung über Ebay ist der Versand oft kostenlos. Eine Bestellung bei einem Konkurrenten wie Otto.de kostet heute fünf Euro Versandkosten, ab 60 Euro Bestellwert entfallen aber auch hier die Zustellungsgebühren. Für Vielbesteller bietet Otto außerdem eine Bestellflatrate.
Ohne Amazon-Prime-Abo zahlen Sie bei Amazon meist günstige 3,99 Euro Versandkosten, bei der Lieferung an eine Abholstation sind es nur 2,99 Euro. Produkte ab 39 Euro werden kostenlos zugestellt. Die Umtauschfrist bei Elektronik, Kamera, Bürobedarf sowie Videospielen liegt für alle Kunden nur noch bei 14 Tagen.
Lohnt sich das dann überhaupt? Das hängt vor allem vom eigenen Bestellverhalten ab: 2023 habe ich 29 Bestellungen aufgegeben, also eine Bestellung alle zwei Wochen. Das entspräche etwa 115 Euro Versandgebühren im Jahr.
Allerdings habe ich viele günstige Artikel eigentlich nur wegen der portofreien Bestellung geordert. Viele weitere Bestellungen wären bei einem anderen Händler ebenfalls portofrei gewesen und ich hätte mehrere Bestellungen kombinieren können.
Bleiben also nur noch zehn Bestellungen übrig, bei denen sich die kostenlose Bestellung für mich wirklich gelohnt hat bzw. 39,90 Euro Ersparnis. Das ist nicht einmal die Hälfte der Abo-Gebühr.
Gegenwert für mich: 3,30 Euro pro Monat oder 40 Euro im Jahr.
Wie wertvoll ist Prime Video?
Ein starkes Argument für Amazon Prime ist der Videostreaming-Dienst Prime Video. Fast 5.000 Filme und 1.300 Serien preist Amazon in seinem Angebot an!
Für das Abo sprechen exklusive Serien wie „Clarkson’s Farm“ und „Die Ringe der Macht“ und ein sich stetig änderndes Archiv an Titeln. Es gibt hier immer wieder neue Filme und Serien.
Ein wenig erinnert mich das Video-Angebot allerdings an die alten DVD-Ständer im Drogeriemarkt. Unter den Filmen finden sich sehr viele obskure Billig-Filme und seltsame Animes, die Netflix und Apple TV+ nicht mit der Kneifzange anfassen würden. Auf aktuelle Titel müssen Sie länger warten als bei Netflix und Co. und viele Top-Serien wie „Yellowstone“ gibt es nur mit zusätzlichem Paramount-Abo.
![Prime Video](https://cdn.statically.io/img/b2c-contenthub.com/wp-content/uploads/2024/06/Bildschirmfoto-2024-06-25-um-13.26.33.jpg?quality=50&strip=all&w=1200)
Zum Film-Angebot gehören auch viele dubiose Titel.
IDG
Es gibt zwar auch noch ein Live-Angebot mit zahlreichen TV-Sendern und Internet-TV-Sendern, mit Netflix kann Prime aber nach meiner Meinung nicht mithalten. Das ist auch das Urteil in zahlreichen Tests.
Leider hat Amazon bei diesem Dienst die Attraktivität stark reduziert. Seit 5. Februar setzt Amazon auf nicht überspringbare Werbung. 2,99 Euro Aufpreis im Monat kostet nun Werbefreiheit, was nebenbei schon eine Sammelklage der Verbraucherzentrale Sachsen ausgelöst hat. Überdies hat Amazon die Bild- und Tonqualität bei der Version ohne Zuzahlung verringert.
Was ist Prime Video aber wert? Die Bestimmung ist nicht leicht, und nur mit viel gutem Willen entspricht es dem Basis-Abo von Netflix, das Sie in der werbefinanzierten Version für 4,99 Euro im Monat buchen können.
Gegenwert für mich: 5 Euro pro Monat oder 60 Euro pro Jahr.
Lohnen sich Prime Music, Gaming, Prime Reading und Foto-Storage?
Es gibt aber noch viele kleine Vorzüge eines Prime-Abos, Amazon bietet auch Zusatzdienste wie Musik-Bibliothek, E-Books, kostenlose Lieferung von Lieferando und Foto-Speicher.
Etwas enttäuscht bin ich von den Angeboten Prime Music und Foto-Speicher. Auch hier hat Amazon nämlich Einsparungen vorgenommen: Mit zwei Millionen Titeln war die kostenlose Version von Prime Music vor ein paar Jahren nicht uninteressant, wenn auch der Katalog recht mager ausgestattet war und viele aktuelle Titel fehlten.
Ende 2022 hat Amazon den Dienst Prime Music aber zu einer Art Internet-Radio umgebaut, mit Zugriff auf 100 Millionen Titel, dies jedoch nur per Playlist mit Werbung oder Zufallsmodus. Eigentlich handelt es sich eher um eine Werbeversion von Prime Music Unlimited und erinnert an Spotify Free.
Auch Prime Reading, das Sie über die Kindle-Apps nutzen können, bietet nur sehr wenige Titel, vor allem ältere Romane gehören hier zum überschaubaren Angebot.
![Prime Reading](https://cdn.statically.io/img/b2c-contenthub.com/wp-content/uploads/2024/06/IMG_1393.jpg?quality=50&strip=all&w=554)
Prime Reading bietet nur wenige Titel.
IDG
Attraktiv für Fotografen ist der Foto-Speicherdienst. Zum Prime-Angebot gehört eine Speichermöglichkeit für Fotos, ohne Speicherbegrenzung. Mit einer eigenen App können Sie so auch iPhone-Fotos archivieren. Leider gibt es aber einen Haken: Für Videos stehen nur fünf GB Speicherplatz zur Verfügung, das ist bei den heutigen Smartphone-Videos viel zu wenig.
Das Angebot Amazon Gaming ist in Deutschland ein noch relativ neues Angebot, Sie können über die Cloud-Plattform Luna (die Spiele laufen auf einem Server) einige Spiele kostenlos nutzen. Bedauerlicherweise ist nur die Nutzung per Browser möglich, dafür auch über iPad und iPhone. Die Zukunft des Dienstes Luna erscheint allerdings etwas unsicher.
Gegenwert für mich: 0 Euro.
Keine Kreditkarte mehr
Über die Jahre hat Amazon immer wieder Dienste eingeführt und wieder gestrichen. Was mich besonders geärgert hat: Gestrichen hat der Anbieter auch die kostenlose Kreditkarte. Amazon hatte für diesen Service mit der Landesbank Berlin kooperiert, offenbar hat die Landesbank die Kooperation beendet.
Mit der kostenlosen Karte konnten Sie bei jedem Kauf Bonus-Punkte sammeln, ein kleiner zusätzlicher Rabatt. Amazon hat zwar ein Nachfolgeprodukt versprochen, davon ist aber nichts mehr zu hören. Mittlerweile bin ich auf die kostenlose Visa-Karte von Trade Republic umgestiegen.
Fazit
Eigentlich ist das Angebot von Amazon Prime attraktiv, vor allem als Altkunde fühle ich mich bei Amazon Prime aber immer wieder etwas über den Tisch gezogen. Nicht nur steigen die Abo-Gebühren kontinuierlich, die Zusatzdienste sind ebenfalls nicht mehr so attraktiv wie früher oder werden plötzlich beendet. Dass ich noch immer ein Kunde bin, liegt eigentlich nur an Serien wie „Clarkson’s Farm“.
Für jeden kann die Rechnung aber anders aussehen: Vor allem für Vielbesteller und Serien-Fans ist Amazon Prime weiterhin hochinteressant. Bestellen Sie wöchentlich etwas bei Amazon und sind zugleich Fan einer exklusiven Amazon-Serie, ist das Angebot weiter hochinteressant – mit kleinen Änderungen im Angebot müssen Sie aber rechnen.